Anspruch und Wirklichkeit in Spannungsfeld politischer Kompromisse

17.02.23 –

Am 17. Februar 2023 fand in Neuruppin eine spannende Diskussionsrunde statt. Es ging um die Räumung des Dorfes Lützerath und die Verhandlungsergebnisse zum Kohleausstieg 2030.  Wie sind diese Verhandlungsergebnisse zu bewerten? Es diskutierten unter anderem Reiner Priggen, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN in NRW und früheres Mitglied der Kohlekommission der Bundesregierung sowie Corvin Drößler, Student und Aktivist bei Fridays for Future und Mitglied von DIE PARTEI.

Im Folgenden versuchen wir, den Diskussionsverlauf aus der Erinnerung zu rekonstruieren. Es kann nur eine Annäherung sein. Über Ergänzungen und Korrekturen freuen wir uns.

Podium: Reiner Priggen und Corvin Drößler

Moderation: Wolfgang Freese (geplante zweite ModeratorIN war kurzfristig erkrankt)

Eingangsstatement Reiner Priggen:

  • Darstellung der Situation vor Ort insbesondere
    • Lage des Dorfes Lützerath, die wie eine Halbinsel in das ausgebaggerte Gebiet ragt
    • Rettung hätte umfangreiche Ausschüttungen erfordert
    • anfallender Abraum wird u.a. für die Verfüllung von Garzweiler I gebrauchr
    • Besitzverhältnisse (RWE) haben bereits dazu geführt, dass Lützerath als Dorf nicht mehr existierte
    • gravierende Unterschiede des Tagebaus in Ost- und Westdeutschlandinsbesondere hinsichtlich Abbautiefe und Modernisierungsgrad der Anlagen
  • Würdigung der (im positiven Sinne) radikalen  Positionen der Bewegung und speziell von Fridays for Future,
  • radikale und zu Recht weitgehende Forderungen der Bewegung schaffen Verhandlungsspielräume 
  • Hervorhebung, Politik muss kompromissfähig bleiben.
  • Kohlekommission drohte mehrfach ohne Ergebnis zu enden – umso erstaunlicher das verhandelte Jahr 2038.
  • Unter den gegebenen Umständen (Lützerath war nicht zu retten), konnten fünf andere Dörfer gerettet werden,
  • in NRW wurde Kohleausstieg damit auf 2030 vorgezogen, was vor wenigen Jahren undenkbar war.

Eingangsstatement Corvin Drößler:

  • Erläuterung der Dramatik der Klimakatastrophe anhand diverser beeindruckender Folien
  • mit dem Klima kann man nicht verhandeln
  • Wir brauchen umgehende Reduzierung des CO2-Ausstoßes.
  • Ohne massive Schritte 1,5 Grad-Ziel nicht erreichbar
  • Kipppunkte, die zu dramatischen Veränderungen führen, sind bald erreicht
  • Wenn wir wie bisher weiter machen, noch 6 Jahre und ein paar Monate, bis unser CO2-Anteil aufgebraucht ist.
  • Grüne haben Klimabewegung verraten,
  • Grüne hätten wenn Klimaziele nicht erreicht werden, in die Opposition gehen müssen
  • Grüne hatten durch Klimabewegung deutlich an Zustimmung gewonnen, tragen aber nun Weichenstellungen mit wie LNG-Terminals (Bezug von Methan auf Jahrzehnte).
  • Windkraftausbau stagniert unter Regierungsbeteiligung der Grünen 

Stimmen aus dem Saal:

  • Ab wann sind Kompromisse Verrat an der Grünen Sache?
    → Lieber erhobenen Hauptes eine Koalition verlassen, statt faulen Kompromiss mittragen!
  • Radikaler sofortiger Ausstieg aus allen fossilen Energien ohne Vorbereitung würde zu sozialen Verwerfungen führen, die zu politischem Erdrutsch (nach rechts) führen würden.
  • der Kampf um das Klima hat auf der Basis der Grundprinzipien Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu bleiben und braucht parlamentarische Mehrheiten; ansonsten können auch Andere, die mit Einzelerscheinungen nicht einverstanden sind, die Durchsetzung ihrer Partikular-Interessen unter Missachtung der beiden Grundsätze erzwingen
  • Politik ohne radikalen Ausstieg führt zur Klimakatastrophe und damit auch zu politischen und sozialen Verwerfungen.
    Corvin: Klimakatastrophe findet bereits in anderen Teilen der Erde statt, ganze Staaten existenziell  bedroht.
  • Grüne sind machtgeil

Reiner: Weist das persönlich und über Parteigrenzen hinweg zurück, sieht in der Landesregierung NRW viel ehrliches Engagement. Wirtschaftliche Einschränkungen zur Eindämmung der Klimakatastrophe notwendig, sieht Bemühungen der Grünen Partei. Gleichzeitig große Wertschätzung für Klimabewegung und notwendige Radikalität.

  • Plädoyer viele kleine Splitterparteien (Tierschutzpartei, die Partei, etc.) sollten sich den Grünen anschließen, für starke Klimabewegung in den Parlamente.
    Corvin: Existenz dieser verschiedenen Parteien zeigt, dass sich in der Politik der Grünen nicht alle wiederfinden
  • Zitat aus Zeitungsartikel: Aktionen der Letzten Generationen brauchen keine demokratischen Mehrheiten, sondern sollen aufrütteln und Lärm machen.
    Corvin: Drücken mit Aktionen Verzweiflung aus.
    → Diskussion ob Aktionen der Letzten Generation zielführend oder letztlich kontraproduktiv sind.
  • Reiner: Auf Straße kleben ist kein „Klimaterrorismus“ sondern allenfalls Ordnungswidrigkeit! Früher Aktionen gegen Atomwaffen waren konkret am Thema und damit vermittelbar, bei Aktionen der Letzten Generation sachlicher Zusammenhang teilweise nicht deutlich.
  • Reiner: Ausbau der regenerativen Energien bringt uns aus der Abhängigkeit von den Fossilen Energieträgern.
  • Kritik an Moderation, in welcher Rolle ist Wolfgang dort? Parteivertreter oder Moderator?
  • Mehrere Redner*innen unterstreichen, dass der "parlamentarische" Weg wichtig bleibt, damit die Rechten in unserem Land nicht so oder so an die Macht kommen.
  • Kritik am Begriff „Klimakleber“, plakativ und von rechts besetzt. (Reiner gibt ihr recht)

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